☰    Maria Zgraggen

Julie Harboe: Raum-Bild

So kann man endlich ins Bild hineinwandern. Die Fläche ist aufgelöst und lässt zu, dass man sich unter und in den Farben bewegt. Die theoretische Illusion vom flachen Bild wird unterlaufen. Wir befinden uns im Raum des Bildes und müssen die Formen und Farben um uns aufnehmen. Wir stehen in einem Netz der materiellen Impulse, und es gibt kaum eine Möglichkeit, Abstand einzunehmen.

Der Raum der Galerie Apropos gleicht dem Inneren eines grossen Würfels. Dessen eine Seite besteht aus Glas und bildet das Schaufenster zur Strasse hin. Dieser Raum wird von Künstlerinnen und Künstlern oft als ein nach aussen gerichteter Vergrösserungsmechanismus benutzt, der - je nach Intention - Farben und Formen verstärkt, verändert oder neu bestimmt. Maria Zgraggen hat mit ihrer neuen Arbeit für Apropos eine solche Konstruktion geschaffen.

Vor einem Gemälde stehend hat man oft den Impuls, näher heranzutreten. Nahe an einer Bildoberfläche, in dieser Situation des persönlichen Close-up, eröffnet sich dem Betrachter eine neue und sinnliche Perspektive. Die Farben lösen Reaktionen aus. Vielleicht vergisst man später Motive und Details, aber die Begegnung mit den Schwingungen und Eindrücken bleibt in der Erinnerung haften. Sei es vor den weichen Linien der Höhlenmalereien mit ihren klaren Naturfarben, oder sei es vor einem Vermeer und dessen skulpturellem Duktus: Man kann schwer loslassen, man verschwindet durch die Materie ins Bild hinein.

Das Werk von Maria Zgraggen hat diese grundlegende Anziehungskraft. Man möchte einsteigen, an den Kanten der Installation balancieren oder in den saftigen Kontrasten verweilen. In den kleinen Reliefs, die sie in Budapest gestaltete, fanden unterschiedliche Materialien zusammen und wurden so - ohne irgendein illustratives Element - zu Porträts von Orten.

Mit der Installation in der Galerie Apropos geht die Künstlerin einen Schritt weiter. Wir stehen einer Rauheit, aber ebenso einer Raffinesse gegenüber. Grosse Platten umgeben uns, Kanten und Ecken schränken die Bewegungen ein. Viele Details dieser Installation unterscheiden sich von jenen der Reliefs im Kleinformat. Die Formen werden hier zu Flächen, die Teile liegen oder stehen, werden aber durch die Komposition kraftvoll zusammengehalten. Der Raum verschwindet, die unterschiedlichen Formen schaffen Assoziationen. Mit unseren Impulsen tasten wir uns heran und gewöhnen uns allmählich daran, dass wir uns in einem Bild befinden.

Begleittext zur Rauminstallation Zwischen Zeiten, Galerie Apropos, Luzern 2008