Julie Harboe: Raum-Bild
So kann man endlich ins Bild hineinwandern. Die Fläche ist aufgelöst
und lässt zu, dass man sich unter und in den Farben bewegt. Die
theoretische Illusion vom flachen Bild wird unterlaufen. Wir befinden uns im
Raum des Bildes und müssen die Formen und Farben um uns aufnehmen. Wir
stehen in einem Netz der materiellen Impulse, und es gibt kaum eine
Möglichkeit, Abstand einzunehmen.
Der Raum der Galerie Apropos gleicht dem Inneren eines grossen Würfels.
Dessen eine Seite besteht aus Glas und bildet das Schaufenster zur Strasse hin.
Dieser Raum wird von Künstlerinnen und Künstlern oft als ein nach
aussen gerichteter Vergrösserungsmechanismus benutzt, der - je nach
Intention - Farben und Formen verstärkt, verändert oder neu bestimmt.
Maria Zgraggen hat mit ihrer neuen Arbeit für Apropos eine solche
Konstruktion geschaffen.
Vor einem Gemälde stehend hat man oft den Impuls, näher heranzutreten.
Nahe an einer Bildoberfläche, in dieser Situation des persönlichen
Close-up, eröffnet sich dem Betrachter eine neue und sinnliche Perspektive.
Die Farben lösen Reaktionen aus. Vielleicht vergisst man später Motive
und Details, aber die Begegnung mit den Schwingungen und Eindrücken bleibt
in der Erinnerung haften. Sei es vor den weichen Linien der Höhlenmalereien
mit ihren klaren Naturfarben, oder sei es vor einem Vermeer und dessen
skulpturellem Duktus: Man kann schwer loslassen, man verschwindet durch die
Materie ins Bild hinein.
Das Werk von Maria Zgraggen hat diese grundlegende Anziehungskraft. Man
möchte einsteigen, an den Kanten der Installation balancieren oder in den
saftigen Kontrasten verweilen. In den kleinen Reliefs, die sie in Budapest
gestaltete, fanden unterschiedliche Materialien zusammen und wurden so - ohne
irgendein illustratives Element - zu Porträts von Orten.
Mit der Installation in der Galerie Apropos geht die Künstlerin einen
Schritt weiter. Wir stehen einer Rauheit, aber ebenso einer Raffinesse
gegenüber. Grosse Platten umgeben uns, Kanten und Ecken schränken die
Bewegungen ein. Viele Details dieser Installation unterscheiden sich von jenen
der Reliefs im Kleinformat. Die Formen werden hier zu Flächen, die Teile
liegen oder stehen, werden aber durch die Komposition kraftvoll
zusammengehalten. Der Raum verschwindet, die unterschiedlichen Formen schaffen
Assoziationen. Mit unseren Impulsen tasten wir uns heran und gewöhnen uns
allmählich daran, dass wir uns in einem Bild befinden.
Begleittext zur Rauminstallation Zwischen Zeiten, Galerie Apropos, Luzern 2008
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